Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie: Roman (German Edition) by Dunn Katherine

Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie: Roman (German Edition) by Dunn Katherine

Autor:Dunn, Katherine [Dunn, Katherine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: eBook Berlin Verlag
veröffentlicht: 2014-05-11T22:00:00+00:00


14

Der Brieffreund

Es war in Earlville am Golf von Mexiko. Dreißig windlose, drückende Grad Celsius. Die Moskitos ertranken in den Nackenfalten. Der einzige Betrieb der Stadt war das staatliche Gefängnis. Der Rummel war voll wie eine Wursthaut und die Zelte platzten aus allen Nähten vor schwitzenden, stinkenden, übelgelaunten Südstaatenmäulern. Es wurde dunkel, doch die Luft kühlte nicht ab.

Die dicke Frau tauchte zu Artys letzter und heißester Vorstellung des Tages auf. Sie war jung, aber ihre farblosen Haare waren einzeln zu festen Locken aufgezottelt und es schimmerte so viel Kopfhaut hindurch, dass sie alt und kahl wirkte. Sie weinte, als sie in der fünften Reihe der Tribüne aufstand und ihre verschränkten Hände dem Becken entgegenstreckte, wo Arty mitten in seinem Vortrag war.

»Du, Liebes«, sagte Arty, und das »Liebes«-Gefühl ging durch ihre geschwollenen Fußgelenke und durch jeden einzelnen Hintern auf der Tribüne. Die Menge seufzte. Die dicke Frau schluchzte.

»Du fühlst dich hässlich, nicht wahr, Kleine?«, und das Wort »hässlich« und das Wort »Kleine« wummerten durch die Menge, und alle keuchten und sie war nicht die Einzige, die nickte.

»Du hast alles versucht, nicht wahr?«, sagte der helle, schwimmende Geist im Becken. »Alles«, murmelten die Knochen der Menschen.

»Pillen, Spritzen, Hypnose, Diäten, Sport. Alles. Weil du schön sein willst, nicht wahr?«

Arty baute jetzt Spannung auf.

»Denn du denkst, wenn du schön wärst, wärst du glücklich?« Das Timing hatte er drauf. Arty war ein Meister der Intonation und des Timings. Ich stand im Gang gegen den letzten stählernen Stützpfeiler gelehnt und lächelte, obwohl ich das alles schon mein Leben lang kannte.

»Denn wenn du schön wärst, würde man dich lieben, nicht wahr? Und wenn man dich lieben würde, wärst du glücklich, nicht wahr? Ist es so, dass du glücklich wärst, wenn du geliebt würdest?«

Jetzt fällt der Ton um eine ganze Oktave und wird zu einem Stöhnen aus dem Unterleib. Selbst in den Pfeilern ist es zu spüren. Die Ärsche auf den Sitzbalken müssen kurz vorm Orgasmus sein.

»Oder ist es so, dass du deswegen unglücklich bist, weil dich die Menschen nicht lieben? Wenn sie dich nicht lieben, liegt es daran, dass mit dir irgendetwas nicht stimmt. Wenn sie dich lieben, dann muss das heißen, dass mit dir alles in Ordnung ist. Du armes Kind. Ach, du armes, armes Kind.«

Der Laden wimmelte von armen Kindern. Sie alle seufzten leise vor Selbstmitleid. Der dicken Frau lief die Nase. Sie öffnete den Mund und rief: »Huuuh!«, »Huuuh!«, Huuuh!«.

Jetzt sprach Arty mit sanfter tiefer Stimme wie ein Nachtzug in der Ferne.

»Du willst einfach nur sicher sein, dass mit dir alles in Ordnung ist. Du willst einfach nur das Gefühl haben, es ist alles in Ordnung.«

Und jetzt geht er über in Häme. Mit seiner Häme könnte Arty ein Nashorn niederstrecken.

»Zu nichts anderem brauchst du die Liebe anderer Menschen.«

Das Publikum ist schockiert und verstummt. Jetzt, wo sie am Boden sind, packt Arty sie an der Kehle und gibt wieder Gas.

»Dann wollen wir doch hier mal der Wahrheit auf den Grund gehen! Du willst gar nicht aufhören zu essen. Du isst für dein Leben gern! Du willst



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